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am Lago d´Iseo in Italien in der Lombardei

"The Floating Piers" von Christo und Jeanne-Claude am Lago d´Iseo? Nur eine Tagesreise von Basel entfernt? Das sollten wir uns nicht entgehen lassen! Schließlich sind wir vor 20 Jahren für einen Tag nach Berlin gereist, um den verhüllten Reichstag mitzuerleben.

Kurz entschlossen wird ein Hotel gebucht, ein Auto gemietet, und nachdem wir den Gotthard durchquert haben, sind wir im Tessin und bald in Italien, mit der Fähre geht es über den Gardasee nach Bergamo und weiter nach Predore, und am Abend stehen wir am grünfunkelnden Iseosee, doch ein wenig müde von der Autofahrt.

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Am nächsten Morgen ging es früh los, freudig gespannt und voll Erwartung, dass es auf den schwimmenden Stegen noch nicht so voll sein würde, dass es am Vormittag nicht so heiß ist, dass wir bald am Ziel unserer Träume sind.

Weit gefehlt! Nach endlosen Warteschlangen an Schiffsstationen, blockierten Zufahrtsstraßen, überfüllten Parkplätzen, Shuttlebussen, quälendem Stop and Go zwischen Barrieregittern mit Tausenden von überhitzten Menschen konnten wir dann in Sulzano am Nachmittag bei 36 Grad den ersten Schritt auf den safrangelben Stoff der heiß ersehnten "Floating Piers" setzen.

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Und unvermittelt wurde mir klar, was auf solch einem schwimmenden Steg geschieht, im tiefsten Herzen fühlte ich, warum wir die Reise und diese Anstrengung auf uns genommen hatten, wie Millionen Andere: Es war die unerwartet süße Bewegung der sanften Wellen unter den Füßen. Barfuß sollten wir gehen, empfahl Christo, Zeit mitbringen, das Warten gehöre dazu.

Ich bin an einem See aufgewachsen, immer im Wasser und auf dem Wasser, Paddelboot, Schlauchboot, Ruderkahn, Schwimmring, Bootssteg, Floss - nichts Schöneres gab es. Aber das Erlebnis auf diesen "Floating Piers" war etwas anders als das Schaukeln im Boot. Jede einzelne Welle unter den Füßen zu spüren, die Bewegung des Wassers im Körper wahrzunehmen, auf diesem safrangelben Stoff über das grüne Wasser zu wandeln, das hat mich ganz unerwartet im Innersten berührt und ergriffen.

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Schon auf dem Weg dorthin hatte ich mich zwischen den begeistert eilenden und zugleich erschöpften und euphorischen Menschen immer wieder gefragt, was an diesem Kunstobjekt so anziehend sein mochte, dass es am Ende 1,8 Millionen Besucher angezogen hat. Die Atmosphäre dort war wie auf einer heiteren Pilgerprozession, Menschen jeden Alters unzähliger Nationen waren unterwegs, zum Teil in schlechtem körperlichen Zustand, mit Gehhilfen und Rollstühlen, geschoben und gestützt, übererhitzt und dehydriert, Rettungswagen mit Martinshorn waren unterwegs, um Kollabierte abzutransportieren.

Wir selbst waren von einem Hitzekollaps auch nicht weit entfernt, und auch leider nicht mehr in der Lage, die 3 Kilometer langen Stege im Ganzen zu umwandeln, verbunden mit der Vorstellung, mit Tausenden von Erschöpften den Rückweg wieder mit Shuttlebussen anzutreten. Deshalb gingen wir auf der Insel auf ein Fährschiff, natürlich nach langem Stehen in einer Warteschlange, doch überaus glücklich, das alles miterlebt zu haben.

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Hat das Kunstobjekt etwas mit dem Labyrinth und mit dem Qigong zu tun? Ja, durchaus. Was das Labyrinth betrifft, so ist es, etwas nicht Geplantes zu erleben, Windungen und Wendungen mitzuvollziehen, und was das Qigong betrifft, so sind es die Spiele mit dem Wasser: "Arme wie rollende Wellen" oder "Wellen schieben" und "Bälle durch das Wasser rollen".

Aber nicht nur die "Floating Piers" haben mich berührt, sondern auch das gemeinsame Warten und Anstehen, um dann mit Tausenden zugleich über die Stege zu wandeln, es war ein Gefühl, dass wir Menschen von etwas Schönem berührt sein möchten, und dafür große Anstrengungen auf uns nehmen können.

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Auf unserer Rückreise waren von hoch oben aus den Bergen "The Floating Piers" gut zu erkennen, im blauen Dunst lagen sie leuchtend gelb auf dem grünen Wasser, verbanden die Inseln mit dem Ufer, es sah wunderschön aus.